Ein nicht wirklich ausgeschlafener Morgen im Nachtzug nach Wien. Der Schaffner bringt meinem schon in anderer Weise auffällig gewordenen und augenscheinlich hungrigen Sitznachbarn auf einem kleinen Tablett das bestellte Frühstück: Kaffee, zwei Tütchen Zucker, ein Döschen Milch, zwei Brötchen, ein Päckchen Butter, ein Döschen Erdbeermarmelade.
Mein Abteilkamerad zahlt, bedankt sich mehrmals höflich bis überschwänglich, stellt das Tablett auf dem gegenüberliegenden Sitzplatz ab und beginnt mit den Vorbereitungen. Er öffnet eine der Zuckertüten und gießt deren Inhalt in den Kaffeebecher, um die gleiche Prozedur auch auf Zuckertütchen Nummer zwei anzuwenden. Die Milch beachtet er nicht.
Eine Weile rührt er andächtig mit dem mitgelieferten Plastiklöffel, während sein Fuß ungeduldig auf und ab wippt. Dann widmet er sich der Butter, deren Verpackung er derart öffnet, dass sie dem nun frei liegenden, schätzungsweise zwanzig Gramm schweren weißen Fettquader als Unterlage dient. Er legt ihn zurück auf das Tablett.
Nun öffnet er das Marmeladendöschen. Anschließend nimmt er das ebenfalls beiliegende Plastikmesser zur Hand, um, wie ich vermute, eines der Brötchen aufzuschneiden. Er aber beachtet keines der beiden Bäckereiprodukte, nimmt stattdessen wieder die Butter zur Hand und versucht, ihr mit dem Messer in einem von etlichen Pannen begleiteten Kampf eine Scheibe abzuringen.
Auch als ihm das endlich gelungen ist, lässt er die Brötchen links liegen, balanciert das fettige Stück vom Messer auf den ja bereits erwähnten Löffel und taucht diesen in die Marmelade. Ich würde, wenn mich die Faszination nicht daran hinderte, meinen Blick abwenden, als er das etwas andere Rot-Weiß zum Munde führt.
Später, mein Sitznachbar wechselt auf der Zugtoilette gerade sein verschmutztes Hemd, fragt mich der Schaffner, ob er das Tablett wohl schon abräumen kann. Sein Blick drückt angesichts der noch immer jungfräulichen Brötchen eine gewisse Verwunderung aus.
Ich nicke. Zum Draufschmieren ist eh nix mehr da.
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