Alter

Im Alter wird man wunderlich. Da geht es den Menschen wie den Akkus. Ich durfte es gerade erst wieder erleben. Akku, mit 28 Prozent aus dem Ruhezustand geholt, kriegt ein bisschen was zu tun – der Countdown läuft! Innerhalb weniger Minuten auf Null runter. Ans Ladegerät. Einschalten: 32 Prozent!

Mc Pom Fritz: Blumen gießen

Ihr fragt euch sicher, warum ihr so lange nichts von mir gelesen habt, ne? Ich hatte total verpeilt, dass Ben um diese Zeit so viel unterwegs ist und ich ihm deshalb gar nichts schicken konnte. Ich hatte ja auch fast nur noch Bianca im Kopf. Jetzt ist er ja auch gerade wieder unterwegs. Buchmesse oder so. Diesmal hab ich aber aufgepasst und ihm rechtzeitig was geschickt, damit er das noch hochladen kann, ne.

Ihr müsst euch aber keine Sorgen machen, ihr hättet groß was verpasst, ne. Ist nicht viel passiert, weil Bianca im Urlaub war. Sie kommt erst morgen wieder. Ich musste heute also wieder allein einkaufen, ne. Dafür hat sie mir eine Karte aus Rom geschrieben. Das ist in Italien. Sie war da mit einer Freundin. Ich wusste ja gar nicht, dass sie eine Freundin hat. Die wohnt auch nicht hier in Prangendorf Ausbau, ne.

Jedenfalls hab ich mich sehr über die Karte gefreut. Da ist ein kaputtes Haus drauf. Kolosseum oder so. Ist aber wohl auch schon ziemlich alt, ne. Jedenfalls hat sie mich ganz lieb gegrüßt. Sie und ihre Freundin waren den ganzen Tag unterwegs und haben sich Sehenswürdigkeiten angeguckt. Und jetzt wären sie gerade in diesem Kolosseum gewesen und hätten jetzt aber mal eine Pause gemacht und Pizza gegessen und Bianca hat die Karte geschrieben. Und sie würde am liebsten noch länger bleiben, würde mich aber auch ein bisschen vermissen und vielleicht könnten wir ja am Sonntag, also übermorgen, was zusammen unternehmen. So als Dank für die Blumen. Die hab ich nämlich immer gegossen.

Ja, hab ich geschrien, und nochmal ja. Ich will! Und dann hab ich nach einer Karte gesucht und auch eine schöne gefunden, ne. Da war ein Fuchs drauf. Ich mag ja Füchse und meine Schwester hat mir immer so welche geschenkt. Also so Karten, ne. Und da hab ich dann draufgeschrieben, also auf die Rückseite, dass ich mich freue, dass sie so tolle Sachen erlebt hat, und dass ich mich noch mehr auf Sonntag freue. Und dass sie deswegen hoffentlich nicht noch länger bleibt. Dann ist mir eingefallen, dass ich ja gar nicht weiß, wo ich die Karte hinschicken soll, weil ich ja gar nicht weiß, wo Bianca in Rom wohnt. Erst hab ich mich total geärgert. Aber dann fiel mir ein, dass Bianca ja bald zurück ist, und ich hab die Karte in ihren Briefkasten geworfen, als ich heute bei ihr Blumen gießen war. Ich hoffe, sie freut sich, ne.

Bis dann,

Euer Mc Pom Fritz

Endstation

Klaus saß an seinem Tisch und starrte vor sich hin. Dieses Kaff war das Ende der Welt! Ein Kaff mit genau einer Ampel. Eine Ampel, die sicher kaum öfter als einmal am Tag auf Rot schaltete.

Er schaute auf die Uhr. Fast fünf Minuten lang. Bis die Zeiger anzeigten, dass nun sein Termin begann. Zum ersten Mal war er in seinem Job nicht pünktlich.

Ihm kamen die Tränen. Einige Sekunden wehrte er sich noch, dann ließ er den Kopf auf die Tischplatte sinken und schluchzte. Es kümmerte ihn nicht mehr, ob ihn jemand dabei beobachtete. Er fand keine Kraft, die Schleusen wieder zu schließen.

Jemand klopfte ihm sanft auf die Schulter. „Alles in Ordnung?“
Verwundert schaute er zu der jungen Frau auf. Aus seiner Sicht war sie noch ein Mädchen. Er wischte sich mit dem Handrücken über die Augen.
„Kann ich Ihnen helfen?“, fragte sie weiter und Klaus bemerkte, dass er vergessen hatte, ihre erste Frage zu beantworten.
„Mir kann niemand mehr helfen.“
„Wollen Sie mir erzählen, was geschehen ist?“
Ja, er wollte. Obwohl er sich sicher war, dass sie ihm erst recht nicht helfen konnte. „Ich wurde beraubt. An der Ampel da vorn. Sie hielten mir eine Pistole an den Kopf und ich musste aussteigen. Dann zwangen sie mich, meine Brieftasche in den Wagen zu schmeißen und sind davongebraust. Mit meinem Auto!“
„Das ist ja schrecklich!“, rief das Mädchen aus. „Haben Sie schon die Polizei verständigt?“
Er nickte.
Sie setzte sich zu ihm, legte ihren Arm um seine Schulter. „Dann machen Sie sich keine Sorgen. Ganz bestimmt fasst man die Täter. Und falls nicht, sind Sie doch sicher versichert.“
Sie verstand nichts. „Darum geht es nicht. Ich schaffe meinen Termin nicht. Zum ersten Mal in meinem Leben kann sich mein Chef nicht auf mich verlassen. Und die Kunden auch nicht.“
Sie lachte. „Vergessen Sie mal die Arbeit. Sie leben noch, das ist das Wichtigste.“
Nun verstand er nicht. Wie konnte man so etwas Wichtiges wie die Arbeit vergessen?
Sie beugte sich zu ihm. „Sie sollten erst einmal einen kräftigen Schluck trinken! Ich gebe Ihnen einen aus. Was möchten Sie?“
Er wusste es nicht. Er hatte schon seit Jahren keinen Alkohol mehr getrunken. Er stand morgens auf und ging zur Arbeit. Oft nahm er sich abends Arbeit mit nach Hause. Und wenn alles getan war, ging er ins Bett. „Ein Bier“, sagte er leise.
Das Mädchen kam mit dem Bier, einer Flasche Schnaps und ein paar Freunden zurück an den Tisch. Sie alle taten so, als gehöre er zu ihnen, obwohl er doch viel älter war und sich noch viel älter fühlte. Doch mit der Zeit gefiel es ihm in der Runde. Und die Gedanken an seinen verpassten Termin ließen nach.

Als schließlich die Polizei seinen Wagen zurückbrachte, konnte er nicht mehr fahren. Und auch den Papierkram musste er verschieben. Das Mädchen bot ihm an, auf seiner Couch zu übernachten.

Am nächsten Morgen hatte Klaus einen Kater. Dennoch quälte er sich von der Couch und rief seinen Chef an. Und er lächelte, als er ihm sagte, er wolle kündigen.