Des Abends im Gesträuch

Des Abends im Gesträuch

Des Abends im Gesträuch
da wachsen sie heran,
du hörst es am Geräusch,
ein Rascheln schleicht sich an.

Die Sicherheit der Augen
verliert sich wie das Licht,
die Blicke nicht mehr taugen,
erkennst die Wahrheit nicht.

Es gruseln Kreaturen,
erobern deinen Geist,
zwing sie in Strukturen,
damit du dich befreist!

Malthorns Sohn

Foto: 3drenderings

Foto: 3drenderings

Thelkar starrte seine Mutter an. Die Jahre harter Arbeit hatten Furchen in Isgaldas Antlitz getrieben. Wie oft hatte er bei diesem Anblick beschämt zu Boden geschaut und sich geschworen, seinen Tagträumereien ein Ende zu bereiten, um den Eltern mit all seinen Kräften zur Hand zu gehen. Doch dieses Mal empfand er nur den aufkommenden Ärger, als er ihre traurigen Augen sah. Er wollte etwas erwidern, doch er entschied sich anders.

Thelkar ging hinaus und stellte seinen Vater, der auf einem Schemel vor dem Haus saß und seine Axt schärfte. Als er seinen Sohn kommen sah, richtete Malthorn sich auf und blinzelte in die Abendsonne. „Sind die Tiere schon versorgt?“
„Nein, Vater“, antwortete Thelkar und gab sich keine Mühe, seine Wut zu unterdrücken. „Du hast im Krieg gekämpft?“
Malthorn blickte ihn überrascht an. Sein ganzer Körper, alt, aber immer noch stark, straffte sich. Dann ließ er die Schultern sinken. Alle Kraft schien mit einem Mal aus seinem Gliedern zu schwinden und er ließ sich zurück auf den Schemel fallen.
„Ist es so?“, hakte Thelkar nach. Sein Zorn kannte kein Mitleid mit der Schwäche des Vaters. „Stimmt es, was mir meine Schwester erzählt und Mutter bestätigt hat?“
Malthorn bedeutet ihm, sich vor ihm auf dem Boden niederzulassen. Widerwillig folgte Thelkar.
„Du bist nun ein junger Mann, mein Sohn. Der Tag musste kommen, an dem du die Wahrheit erfährst, wenn ich ihn auch lieber selbst bestimmt hätte.“
Er schwieg lange. Thelkar hielt nur der Respekt zurück, seinen Vater zum Weitersprechen anzutreiben.

„Der Krieg ist ein Scheusal“, fuhr Malthorn endlich fort. „Deine Geschwister haben erlebt, was es heißt, um den Vater zu bangen, zu fürchten, er könne ihnen im Kampf für immer verloren gehen. Schlimmer noch: Sie mussten erfahren, wie es selbst denjenigen ergeht, die nicht für Reich und König in die Schlacht ziehen. Denn der Krieg fordert auch von den Daheimgebliebenen seine Opfer.“ Malthorn seufzte.
Thelkar fragte sich, worauf der Vater hinauswollte. Konnte er nicht einfach die Frage beantworten?
„Ja, mein Sohn, ich habe im Krieg gekämpft. Viele Male. Doch ich bin immer ein Holzfäller geblieben. Ich kämpfte, weil ich dazu gezwungen war, nicht weil ich ein Held sein wollte. Denn Helden sterben auf dem Schlachtfeld und kehren niemals heim. Der Krieg nimmt sie ihren Familien für immer.“ Malthorn sah ihn eindringlich an.
Thelkar hielt dem Blick nicht stand und schaute auf seine Hände. Hände, die sein ganzes Leben lang nur die Werkzeuge eines Holzfällers und Bauern geführt hatten. Ja, er wünschte sich so sehr, ein Held zu sein. Für Reich und König wollte er kämpfen und die Feinde mit dem Schwert vor sich hertreiben. Seit er laufen konnte, war jedes Stück Holz für ihn eine Waffe, mit der er unsichtbaren Gegnern entgegentrat oder dem Vieh des Vaters das Fürchten lehrte. Und seit er denken konnte, hatten ihn seine Geschwister, allen voran Asura, dafür verspottet. Seine Geschwister, die so sehr nach den Eltern kamen und keinerlei Verständnis für seine Träumereien aufbrachten.

„Und dann kam der Tag, an dem ich zum Helden wurde“, erzählte Malthorn weiter. „Es geschah ohne jede Absicht, dass ich den Befehlshaber des feindlichen Heeres besiegte, als ich mich nur meiner Haut erwehren wollte. So wendete ich die Schlacht und sie sangen Lieder über mich.“
Erstaunt betrachtete Thelkar den Vater. Es fiel ihm schwer, sich den Mann in glänzender Rüstung vorzustellen, bejubelt von Kameraden und Heerführern.
„Mir wurde klar, als Held würde ich mein Haus und meine Familie verlieren, denn man erwartete mich von nun an allzeit in vorderster Front. Also verriet ich Reich und König und kehrte zu deiner Mutter und deinen Geschwistern zurück.“
Thelkar konnte einen entsetzten Ausruf nicht unterdrücken. „Du, ein Verräter? Hat man dich denn nicht verfolgt?“
„Doch. Der Mann, der mich verfolgte, ein Feldwebel, stand schon am Morgen nach meiner Rückkehr an dieser Tür.“ Malthorn zeigte auf die Eingangstür des Blockhauses, in dem Thelkar sein ganzes Leben verbracht hatte. „Aber er sah keinen Kriegshelden, sondern nur einen einfachen Holzfäller, der bei seiner Familie leben wollte, um sie zu beschützen. Er ist es, dem ich mein Leben verdanke und der auch in all den Jahren dafür gesorgt hat, dass weder ich noch meine Söhne in Kriege ziehen mussten, die nicht die unseren waren.“
Wieder schwieg Malthorn für einen Moment. Dann fuhr er fort: „Und auch du verdankst diesem Mann dein Leben, denn in der folgenden Nacht wurdest du gezeugt. Daher gaben wir dir seinen Namen.“

Nun war es Thelkar, der sich in nachdenkliches Schweigen hüllte. „Warum habt ihr mich belogen?“, fragte er schließlich.
„Schon, als du noch ein kleines Kind warst, konnten deine Mutter und ich in deinen Augen lesen, dass du anders bist als deine Geschwister. Wir ahnten, du würdest stets das Abenteuer suchen und der Krieg könnte dir keinen Schrecken einjagen. Um dich nicht zu verlieren, erzählten wir dir, dass der Fürst Menschen wie dich und mich nicht für den Dienst an der Waffe brauche. Wir wollten dich glauben machen, du würdest, selbst wenn du es wolltest, allenfalls für niedere Dienste abberufen. Doch glaube mir, mein Sohn, es kann keinen schlechteren Dienst als den an der Waffe geben. Also verzeihe uns die Lügen, denn wir sprachen sie aus Liebe und in Sorge um dich. Willst du mir versprechen, das Heldentum ein für alle Mal zu vergessen?“
Thelkar nickte langsam, schwieg aber und bat darum, sich zurückziehen zu dürfen.

Sein Ärger war verflogen. Nie hatte er sich ganz mit seinem vermeintlichen Schicksal abfinden können. Doch nun wusste er, dass er den Namen eines Kriegsmannes trug. „Thelkar!“ Er sprach ihn aus und empfand einen ganz neuen Klang dabei. Noch einmal sagte er ihn, lauter jetzt. Und schon im selben Moment fasste er einen Entschluss. Noch heute Nacht wollte er sich auf die Suche machen nach dem Mann, dessen Name er seit 16 Jahren trug. Seinen Eltern würde er nichts davon erzählen. Denn er, Thelkar, wollte Thelkar berichten, dass er bereit sei, endlich die Schuld des Vaters an Reich und König abzutragen.

Basierend auf der Geschichte „Lass sie nicht von dir singen“ von Klaus Mundt, erschienen in „Geschichten eines Krieges“, vph 2008.

Blutweg

Blutweg

Jacky schaute ihn herausfordernd an. „Na, immer noch die große Klappe?“
Martin blickte sich um. „Ist doch schön hier.“
„Warte, gleich geht die Sonne unter.“ Sie setzte sich auf einen großen Baumstumpf.

Martin blickte sich um. Schon jetzt war er sich nicht mehr ganz sicher, ob an den Gruselgeschichten, die Jacky ihm erzählt hatte, nicht doch etwas dran war. Der Monsterwald! Er hatte Jacky ausgelacht, als sie behauptete, das sei nicht nur so ein Name. Gab es hier vielleicht wirklich unheimliche Wesen? So ein Quatsch! Immerhin wies ein Weg darauf hin, dass sehr wohl Menschen unter den Bäumen spazierten. Und er sah aus wie jeder andere Weg auch. Der Blutweg! Von wegen.
Er bemerkte das Lächeln Jackys, mit dem sie ihn beobachtete. Mit einem Schulterzucken setzte er sich neben sie. „Ich kann nichts Besonderes entdecken.“ Er gab seiner Stimme einen betont gelangweilten Ausdruck. Dabei sorgte allein die Tatsache, dass er hier neben Jacky saß, für ein Kribbeln in der Bauchgegend.
„Schau!“, sagte sie nur und zeigte nach oben.
Es war ein großartiges Schauspiel. Wie in Zeitlupe entflammte der Himmel und die Wolken sogen sich mit roter Farbe voll.
„Schau!“, sagte Jacky wieder, doch dieses Mal zeigte sie direkt vor sich. „Der Blutweg!“
Jetzt verstand Martin. Von einem Moment zum anderen hatte sich alles verwandelt. Die Bäume hüllten sich in eine Dunkelheit, als sei die Sonne bereits vollständig untergegangen. In den Kronen rauschte ein Wind, der hier unten nicht zu spüren war. Der Weg aber schimmerte in einem dunklen Rot. Und als wolle er den Wanderer über sein Ziel verunsichern, verschwand er nach nur wenigen Metern zwischen den Bäumen. Keine zehn Pferde würden Martin dazu bringen, diesem Weg zu folgen.

„Habe ich es doch gewusst. Du bist ein Schisser wie alle anderen.“ Jacky musste seine Gedanken gelesen haben.
„Nein, bin ich nicht.“ Es überzeugte ihn selbst nicht. Gab es keine Möglichkeit, aus dieser Situation heil rauszukommen? Er war so froh gewesen, als Jacky endlich ein bisschen Interesse für ihn gezeigt hatte. Endlich bekam der Umzug in dieses Kaff einen Sinn. Doch jetzt stellte sie ihn auf eine harte Probe. Er war sich sicher, würde er jetzt kneifen, hätte er alle Chancen bei ihr verspielt. „Lass uns gehen!“

Mit jedem Schritt bereute er seine Entscheidung mehr. Und mit jedem Schritt stieg seine Bewunderung für Jacky. Wenn sie von derselben Angst heimgesucht wurde wie er, ließ sie es sich nicht anmerken. Trotzdem. Mit diesem Wald stimmte irgendetwas nicht. Unter den Bäumen war es kühl. Und obwohl die Sonne längst untergegangen war, warfen die Bäume lange Schatten. Dass es nicht völlig dunkel war, lag einzig an dem merkwürdigen Weg, der auch jetzt noch rot schimmerte, als habe die verschwundene Sonne seinen Akku für die gesamte Nacht aufgeladen. Und je weiter sie kamen, desto sicherer war Martin, dass er sich den Geruch von Blut nicht nur einbildete.
Wenn er sich wenigstens durch ein Gespräch mit seiner hübschen Begleiterin ablenken könnte. Doch er wusste nicht, was er sagen sollte, und fürchtete, seine Stimme nicht kontrollieren zu können. Sein Mund war trocken, seine Kehle rau. Um sich die Lippen zu befeuchten, musste er seine Zunge vom Gaumen losreißen. Es war sowieso nur ein Reflex, denn die Zunge war selbst nicht wirklich feucht.
Jacky wirkte dagegen wie Alice im Wunderland. Mit ihren großen Augen sog sie die verzerrten Bilder auf, die die Lichtkegel der Taschenlampen erzeugten, als ginge sie durch einen Freizeitpark. Martin hätte die ewig gleichen Eindrücke wahrscheinlich als gähnend langweilig empfunden, wäre da nicht dieser eine, der alles dominierte: Der Wald wurde immer feindseliger, die Nacht immer dunkler und die Stille immer drückender.

Nach etwa einer Stunde hielt er es nicht mehr aus. „Hattest du nicht gesagt, der Wald sei klein?“ Es war nur ein Flüstern, aber er hatte plötzlich das Gefühl, er habe den Monsterwald jetzt erst richtig auf sich aufmerksam gemacht.
„Ist er ja auch. Vielleicht noch eine viertel Stunde, dann hast du es hinter dir, du Schisser.“
„Ich bin kein …“ Ein Knacken brachte ihn zum Schweigen.
Auch Jacky blieb stehen. Mit der Taschenlampe suchte sie ein dichtes Gebüsch ab, während das Licht aus Martins Stablampe zwischen den Stämmen hin und her zitterte.
„Was war das?“, keuchte er.
„Psssst!“
Es raschelte genau dort, wo Jacky hinleuchtete. Mit einem kräftigen Klopfer, setzte Martins Herzschlag aus. Wieder krachte es im Unterholz, dann brach sich etwas einen Weg durch die Zweige.

Martin rannte! Sein Herz schien die Sekunden, die es sich frei genommen hatte, doppelt und dreifach nachholen zu wollen. Und es verstopfte ihm die Kehle. Doch er rannte immer weiter. Das Monster war direkt hinter ihm. Er konnte seinen keuchenden Atem hören.

Martin schaute nicht zurück, sah kaum den schimmernden Weg vor sich. Er bemerkte nicht einmal, wie er die Bäume hinter sich ließ, und es dauerte noch mal eine Weile, bis ihm klar wurde, dass ihn niemand mehr verfolgte. Er blieb stehen, stützte die Hände auf die Knie und versuchte, seine Atmung in den Griff zu bekommen. Dabei lauschte er angestrengt auf etwaige Geräusche.

Der Mond tauchte die Felder in fahles Licht und den Weg in ein silbriges Blau. Langsam drehte Martin sich um. Noch immer wirkte der Wald bedrohlich. Martin richtete sich kerzengerade auf, als er eine Bewegung wahrnahm. Täuschte er sich? Nein, da kam eine Gestalt den Weg herauf. Martin spannte die Muskeln an. Ein Licht flammte auf. Das Licht einer Taschenlampe. Es war Jacky, die ihm zuwinkte.

Als sie bei ihm war, gab sie ihm seine Stablampe. „Hier, die hast du fallenlassen.“
„Danke“, flüsterte er.
„Schisser!“
„Ich bin …“
„Läuft vor einem Vogel davon!“ Sie schüttelte den Kopf.
„Ein Vogel?“
„Aber schnell und ausdauernd bist du, das muss man dir lassen. Ich bin die Schnellste in der Klasse. Aber am Waldrand hab ich aufgegeben.“
„Du?“
Sie nickte.
„Meinetwegen, bin ich eben ein Schisser. Mir egal, wenn du jetzt nichts mehr mit mir zu tun haben willst. Aber ich geh nicht wieder durch diesen Wald. Wenn du auf demselben Weg zurückgehen möchtest, dann ohne mich!“
Jacky lachte. „Komm, da drüben ist gleich die Straße. Meine Güte, mit dir erlebt man Abenteuer.“ Sie klopfte ihm auf die Schulter.

Martin ärgerte sich über sich selbst. Ein Vogel! Konnte das wahr sein? Er betrachtete Jacky verstohlen von der Seite, als sie das Dorf erreichten. Und im Licht einer Straßenlaterne sah er die Tränen, die ihr über die schönen Wangen liefen.

Blogroman: 26 – Die Amazone

Tilo zögerte noch einen Moment, dann öffnete er vorsichtig die Haustür und spähte hinaus. Alles war still. Natürlich. Er hatte beinahe eine Viertelstunde gewartet, nachdem das Motorengeräusch von Papas Audi verklungen war, wobei er die ganze Zeit in seinem Zimmer auf und ab gegangen war, hin und her überlegt hatte, ob er wirklich auf die Straße gehen sollte. Aber was konnte jetzt noch passieren? Und er wollte unbedingt herausfinden, was das komische Paar in dem alten Lagerhaus getrieben hatte. Hier, am äußersten Ende der Stadt.
Er schaute sich nach allen Seiten um, als er die schmale Straße überquerte. Eine leichte morgendliche Brise wehte den Duft und die Stille des Waldes herüber. Er wählte die rechte der beiden Spurrillen, die den Weg zum Lagerhaus darstellten und durch die ungemähte Wiese führten. Von der Straße waren es etwa hundert Meter. Vielleicht hundertfünfzig. Aber während er sich von den beiden Straßenlaternen fortbewegte, überkam ihn mehr und mehr das Gefühl, er breche in ein fremdes Universum auf. Erst ein Mal war er diesen Weg gegangen, seit sie hierhergezogen waren. Im Licht der Nachmittagssonne. Bis zur Hälfte des Wegs hatte er sich getraut. Jetzt pochte ihm das Herz noch mehr als damals.
Aber dieses eine Mal würde er auch im Real Life ein Abenteuer bestehen! Er wagte einen Blick auf sein Ziel. Er konnte sich selbst nicht erklären, was an diesem Gebäude ihm so viel Furcht einflößte. Es war nur ein hässlicher großer Kasten. An der Ostseite zu einem großen Teil eingestürzt. Die Außenwände unregelmäßig mit rankenden Pflanzen bewachsen. Rückeroberung durch die Natur. Vielleicht war es dieser Eindruck von Wildheit. Vielleicht aber auch die Erzählungen von dem alten Herrn Faun aus der Nachbarwohnung. Als Tilo ihn über die Ruine ausgefragt hatte, hatten einige Sätze seine Fantasie besonders angeregt.
„Das alte Ding steht schon seit vielen, vielen Jahren dort und wird wohl immer da stehen bleiben. Schon in meiner frühen Kindheit, vor fast siebzig Jahren, stand es leer und stürzte an der Ostseite in sich zusammen. Einige Verfolgte hatten sich dort versteckt. Aber kurz vor dem Ende des Krieges fand man sie.“
„Was hat man mit ihnen gemacht?“, fragte Tilo, der an die Schwarzen Reiter aus Mittelerde denken musste.
„Es ist besser, das nicht zu wissen, glaube ich. Jedenfalls sollte es direkt nach dem Krieg abgerissen werden. Zum ersten Mal. Und danach immer wieder. Jedes mal hieß es, nun sei es endlich so weit. Und jedes Mal kam im letzten Moment irgendetwas dazwischen. Und so wird es wohl bis ans Ende der Zeit gehen. Denn zwar scheint es, als müsste das Ding sowieso bald in sich zusammenfallen, aber ich bin mir sicher, dass es sogar einem Orkan widerstehen würde.“
Tilo blieb stehen. Noch zwanzig Meter. Er sollte umkehren. Was konnte es da schon Interessantes geben? Nur weil da eine Agentin, die das Auto seines Vaters gestohlen hatte, mit irgendeinem Angsthasen hergekommen war?
Er drehte um. Setzte einen Fuß vor den anderen, immer schneller, bis er zu laufen begann. In seinem Kopf wandelte sich die Agentin zur Amazonenkriegerin. Dazu bedurfte es nicht viel. Ein Schwert und ein bisschen freizügigere Kleidung. Sie stand auf einem großen Felsen und der Wind spielte in ihrem roten Haar. Mit ihren grünen Augen visierte sie ihn. Tilo hatte  ihre Augenfarbe aus der Entfernung natürlich nicht erkennen können, aber er war sich sicher, dass sie grün waren. Auf ihren Lippen zeigte sich ein Lächeln. Sie lächelte ihn an. Wollte sie ihm Mut zusprechen? Oder …? Er ahnte, wie schnell aus dem warmen Lächeln ein kaltes Lachen werden konnte.
Als hätte jemand die Zügel gezogen, kam Tilo zum Stehen.

Was bisher geschah

Blogroman: 17 – Stille

Tom lauschte angestrengt, doch das Einzige, was er mit ziemlicher Sicherheit wusste, war, dass Piet aufgesprungen sein musste, denn dabei war dessen Stuhl mit einem Poltern umgekippt. Die Stille, die nun folgte, füllte den Raum beinahe noch konsequenter aus als die Dunkelheit. Dann hörte er Piet fluchen. Ein Schuss. Ein dumpfer Schlag. Ein großer Körper fiel zu Boden. Wieder alles still.
Tom begann, soweit es seine Fesseln zuließen, auf dem Stuhl hin- und herzurutschen. Ein Schweißtropfen brannte ihm im Auge. Seine Nackenhaare richteten sich auf. „Ist da noch wer?“ Er flüsterte die Frage, war sich nicht sicher, was er sich wünschen sollte. Wäre da noch jemand, könnte das gut, aber auch ausgesprochen schlecht für ihn sein. Gleichzeitig packte ihn die Furcht, er könne allein hier zurückbleiben. Möglicherweise mit einer Leiche irgendwo im Raum. „Ist da noch wer?“ Jetzt schrie er es.
„Ja.“
Tom erstarrte. Die Stimme war direkt hinter ihm. Es war die Stimme einer Frau.
„Es ist vorbei.“
Er spürte kalten Stahl.

Was bisher geschah