Manuschau: Mandrill

„Übertreib es nicht“, hat Netti gesagt. „Sonst verwechselt er dich noch mit einem Mandrill.“ Ganz so schlimm ist es wohl nicht. Sehr beruhigend. Ich krame wieder in der Handtasche und ziehe die Lippen nach.

In der Wanne

In der Wanne

© silver-john

Ihre Hände an seinem Hals gleichen einem Schraubstock. Warum ist sie so stark? In seinen Ohren rauscht es. Der Wasserhahn! Es kann nicht mehr lange dauern, bis die Wanne überläuft. Aber bestimmt ist sowieso schon alles nass. Sie schüttelt ihn. Er schüttelt sie. Wann ist es zu Ende? In seinen Schläfen pocht es. Er kann nicht atmen. Das Wasser steigt. Er sollte sie abwehren, ihren mörderischen Griff von seiner Kehle lösen. Doch ließe er ihre Schultern los, wäre das das Ende. Er möchte etwas sagen. Mit ihr sprechen. Sie anschreien. Doch er kann nicht. Braucht alle Kraft. Ohnehin schluckt das Wasser alle Töne. Endlich! Der Druck an seinem Hals lässt nach. Er lächelt. Lässt nicht locker. Bekommt Oberwasser.

Erst als er ganz sicher ist, richtet er sich auf. Greift nach einem Handtuch. Sie liegt in der Wanne. Starrt ihn an. Ihr Haar schwimmt auf. Die Lippen, endlich nicht mehr zusammengepresst, verblassen. Er liebt es, wenn sich am Ende ihre Züge entspannen. Sie sich endlich in ihr Schicksal fügen. So auch sie. Keine bisher hat sich so gewehrt. Starkes Mädchen.

Mc Pom Fritz: So ein Müll!

Hoffentlich hat sie es nicht gesehn! Ja, ihr glaubt es nicht, ich hab Arielle wiedergesehn! Das verdanke ich nur meinem Fahrrad, ne. Ich kam heute zufällig genau zur richtigen Zeit vom Einkaufen nach Hause. Gerade als sie aus ihrem Auto stieg. Ein Golf, glaub ich. Rot, ne.

Und sie ist noch viel hübscher als Frau Hart! Wie eine richtige Prinzessin. Obwohl sie nur eine einfache, blaue Jeans und ein schwarzes Shirt trug. Und ihre Haare! Wie ein Meer aus geschmolzenen Kastanien. Wenn man das so sagen kann. Ne. Und ihre Lippen! Ich musste gleich an Erdbeeren denken.

Blöderweise hab ich  meinen Hauseingang total verpasst. Ich hab auch gar nicht mehr gucken können, wo ich hinfahr. Ein Stück weiter stehen die Müllcontainer, ne. Hoffentlich hat sie es nicht gesehn!

Ich bin gleich wieder aufgesprungen und einfach weitergefahren, ne. Bis zum Zigarettenautomat bei der Kneipe. Dabei rauch ich gar nicht. Am liebsten hätt ich mich dahinter versteckt. Aber ich wollte sie auch noch mal sehn. Und ich musste ja sowieso zurück zur 8, ne.

Da kam sie mir dann entgegen. „Hallo“, hat sie gesagt und mit dem Kopf genickt, sodass einige Strähnen das Grün ihrer Augen bedeckten. Wie elegant sie sie mit der kleinen Hand aus dem Gesicht gestrichen hat …

Ich hab ganz vergessen, sie auch zu grüßen. So was Blödes! Und dann hätte ich beinah noch den neuen Fernseher auf dem Anhänger vergessen. Schade, dass heute Abend nicht Arielle kommt. Den Film im Fernsehn mein ich jetzt, ne. Arielle heißt ja gar nicht wirklich Arielle. Schade, dass sie heute Abend nicht kommt …

Bis dann,

Euer Mc Pom Fritz

Rühren

© Mircea BEZERGHEANU

© Mircea BEZERGHEANU

Sie atmete tief ein, nahm sich Zeit. Langsam fuhr sie seine Konturen nach. Mit ihrer Zunge benetzte sie sich die Lippen, als sie das Muster seiner Bauchmuskulatur abtastete. Für einen Moment lehnte sie sich zurück, wollte sein Bild voll und ganz in sich aufnehmen. Ihre Finger zitterten ein wenig, während sie die klare Linie seiner Brust nachempfanden. Ein sehnsüchtiger Schwung fester Knospen. Noch einmal nahm sie den Kopf zurück, schloss die Augen. Das Kunstwerk seines Körpers verschwand nicht. Sie sprach leise zu ihm, widmete sich seinem Gesicht. Der Bogen seiner Brauen überspannte zwei Tore in eine geheimnisvolle Welt. Sein Nasenrücken eine Straße ins Paradies. Der leicht geöffnete Mund eine verspielte Einladung. Ihr Blick verfing sich in diesem Bild. Ihr Herzschlag verlangsamte sich, ihr Atem stand still.

Endlich löste sie sich, ihr Blick wurde klar und wandte sich ihm zu. „Rühren!“, rief sie, lachte und legte den Pinsel beiseite.

Das Messer

Foto: TheUmf

Foto: TheUmf

Plötzlich war da das Messer. Von einem Moment zum anderen hatte sie es in der Hand. Ein Kochmesser mit einer breiten Klinge, etwa 20 Zentimeter lang, schätzte er.

Warum tat sie das? Sie zerstörte alles! Wollte sie ihn töten?

Er sah das Schimmern auf dem Stahl. Schmeckte einen metallischen Geschmack. Hatte er sich gerade auf die Zunge gebissen?

Er trat einen Schritt zurück, löste seinen Blick von der Klinge. Ihre Augen fuchtelten wilder umher als das Messer, in dem nur ein leichtes Zittern gewesen war. Sie fuhr sich mit der freien Hand durch die Haare, die längst keine Frisur mehr zeigten.

Lächelte sie? Oder löste sich nur ein Krampf von ihren Lippen? Sie folgte seiner Rückwärtsbewegung.

Er versuchte, zu beschwichtigen. Es sei doch alles nicht so schlimm und bis eben so schön gewesen. Er wollte ihr den Schweiß von der Stirn wischen, dann war sie über ihm.

Endlich begriff er, dass es mit ihm zu Ende gehen würde. Jedes Mal, wenn sie zustach, betäubte der neue Schmerz den vorigen. Er versuchte sich vorzustellen, wie er jetzt aussah. Er hatte nie besonders gut ausgesehen.

Bedauerlich, dass es so weit hatte kommen müssen. Ein Spiel mit bösem Ende. Sie hätten Spaß haben können in ihrer Küche. Vielleicht hätte er sie auch ins Schlafzimmer geführt. Aber sie hatte sich gewehrt. Mehr als alle vor ihr. Nun war sie die Letzte. Und war es doch nicht. Mit ihm ging es zu Ende.