Das Wort begeistern gefällt mir. Be-geistern, jemand anderen (sich selbst) mit dem eigenen Geist befeuern, mit Geist (Witz) anstecken. Und dann sind da noch die Geister, also irgendwie auch Fantasie.
Das Wort begeistern gefällt mir. Be-geistern, jemand anderen (sich selbst) mit dem eigenen Geist befeuern, mit Geist (Witz) anstecken. Und dann sind da noch die Geister, also irgendwie auch Fantasie.
Viele Menschen fühlen sich im Alltag gefangen. Sie beklagen seine immer gleichen grauen Wände und die Gitterstäbe vor den Fenstern, durch die sie nur einen Blick auf das wahre Leben erhaschen können. So oft wie möglich versuchen sie daher, dem Alltag zu entfliehen.
Seltsam. Für mich ist der Alltag mein Zuhause. Hier wohne ich. Hier fühle ich mich sicher. Es tut gut, einmal hinauszugehen, sich die Beine zu vertreten und das Draußen zu genießen. Doch dann ziehe ich mich auch gern wieder in den Alltag zurück.
Intelligenz ist in! Dieser Satz dürfte viele sogleich zu Widerspruch anregen. Schon im Gedenken an aktuelle Fernsehprogramme, die ja nun regelmäßig zu Statements verleiten, die das genaue Gegenteil behaupten.
Auch ich würde an dem Satz leise Kritik üben, allerdings in anderer Weise, als man vielleicht erwarten möchte. Das Wörtchen „in“ könnte nämlich den Verdacht erwecken, es handele sich um einen noch jungen Trend, in ist Intelligenz jedoch nicht erst seit gestern. Sie ist ein Attribut, mit dem man sich gern schmückt, am häufigsten in der Weise, dass man die ungenügende Ausstattung des Gegenübers oder eines Dritten herausstreicht.
Nun ist Intelligenz nichts, was man so einfach auf den Tisch, geschweige denn in die Waagschale schmeißen kann. Damit zu protzen sollte also Probleme bereiten. Ermöglicht wird es vor allem durch zwei Faktoren:
1. Intelligenz ist relativ, weshalb es nahzu jedem möglich ist, jemanden zu finden, dem man sich intellektuell überlegen fühlen kann.
2. Die gängige Methode, Intelligenz zu beweisen, ist die, Bildung hervorzukehren.
Letzteres gilt, obwohl den meisten Menschen durchaus bewusst ist, dass Bildung und Intelligenz zwei Paar Schuhe sind. Weder ist Bildung untrügliches Zeichen für Intelligenz, noch ist der Intelligente automatisch gebildet. Wenn beides oft zusammenkommt, liegt das nur daran, dass der Intelligente Bildung häufig als eine Art Sport betreibt, der ihm außerdem verhältnismäßig leicht fällt.
Intelligenz ist eine Fähigkeit, die sich zwar in gewissem Maße trainieren lässt, die aber im Grunde keine eigene Leistung darstellt. Man kann darauf ebenso stolz sein wie darauf, von anderen für ein besonders schönes Exemplar Mensch gehalten zu werden. Auf der anderen Seite ist Bildung eben im Wesentlichen „nur“ eine Fleißleistung.
Die (erstaunlicherweise auch unter tatsächlich intelligenten Menschen) weit verbreitete Unart, andere hinsichtlich fehlender Intelligenz im freundlichsten Falle zu belächeln, oft aber auch zu entwerten, ist daher nicht weniger diskrimierend, als andere aufgrund ihrer äußeren Erscheinung abzuwerten.
Ich will damit niemandem auf die Füße treten, zumal ich es auch bei mir selbst tun müsste. Gerade im Bereich Humor gehört Political incorrectness meiner Meinung nach dazu. Aber es ist ebenso erlaubt, sich ab und an zu hinterfragen.
Es war mir gar nicht recht, dass Frau Hostilis mich wieder einmal vor der Holhalle abgefangen hatte. Sie war alles andere als eine meiner liebsten Nachbarinnen, schaffte es aber beinah täglich, mich irgendwo abzupassen und in eines ihrer so geliebten Gespräche unter Müttern hineinzuziehen. Ich wollte nach dem Einkaufen so schnell wie möglich nach Hause, aber die Höflichkeit gebot es, wenigstens einige Minuten Interesse zu heucheln.
Allein, es fiel mir nicht leicht und mein Blick schweifte zu Regina. Wenigstens musste sie sich nicht langweilen, denn sie verstand sich gut mit dem Sohn der Nachbarin, der ich nun wieder meine Aufmerksamkeit schenkte.
Doch nur kurz darauf wurde ich wieder abgelenkt. Die Kinder schienen etwas bemerkt zu haben und bewegten sich vorsichtig, aber zielstrebig darauf zu. Nur am Rande wunderte ich mich, wie Frau Hostilis ihrem Paullus so unverwandt den Rücken zukehren konnte, wo doch ihr Lieblingsthema Verantwortung war.
Was war das, was die Neugier der Kinder so vollständig auf sich zog, ihnen aber doch nicht ganz geheuer zu sein schien? Sie bewegten sich auf eine Gasse zu. Regina zog ein Stück des süßen Panis aus der Tasche und hielt ihn vor sich, als wolle sie ein Tier damit locken. Es schien zu wirken. Etwas kroch auf die Kinder zu. Noch langsamer und noch vorsichtiger als Regina und Paullus.
Einen Moment lang fühlte ich mich wie versteinert. Konnte nur beobachten, wie der Abstand zwischen Regina und den Aliens schmolz. Dann, einem Impuls folgend, wollte ich laufen und schreien …
Aber warum eigentlich? Die Aliens waren selbst noch Kinder, kaum älter als ihre Gegenüber. Dass sie sich aus ihren Ghettos bis hier ins noble Zentrum vorgewagt hatten, war noch erstaunlicher, als dass sie dabei bisher offenbar nicht erwischt worden waren. Selbst aus der Entfernung sahen sie ausgemergelt und hungrig aus. Und wohl auch dreckig. Wenn Regina jetzt so offen auf sie zuging, lag das daran, dass ich selbst ihr immer eingetrichtert hatte, man solle sich auch dem Fremden gegenüber aufgeschlossen zeigen. Was immer auch die öffentliche Meinung besagte, ich glaubte nicht, dass von diesen elenden Geschöpfen eine Gefahr ausgehen könnte. Waren doch eigentlich wir die, unter denen sie zu leiden hatten.
Es blieb mehr als ein wenig Unsicherheit, als ich mich wieder Frau Hostilis zuwandte. Zu spät! Selbst sie hatte inzwischen bemerkt, dass etwas nicht stimmte. Erstaunlich schnell fuhr sie herum und noch schneller erfasste sie die Situation. Ein Aufschrei und schon stürmte sie auf die Gasse zu. „Kommt da weg! Weg da! Vertreib doch jemand dieses Gesindel!“
Ich war mir sicher, sie hätte den Aliens ihre traurigen Augen ausgekratzt oder ihnen gleich die Köpfe abgerissen, hätte sie sie zu fassen bekommen.
„Warum mögen die Leute die Aliens nicht?“
„Weil sie Fremde sind. Sie kommen von einem anderen Planeten.“
Regina überlegte kurz, während sie mir beim Kochen zusah. „Warum sind sie denn hergekommen?“
„Sie suchen hier Asyl.“ Ich sah ihr an, dass sie mich nicht verstand. „Sie kamen als Gäste und hoffen nun, für immer hier leben zu können. Leider gefällt das vielen nicht.“
„Warum gehen die Aliens dann nicht zurück? Ist es hier denn so viel schöner als bei ihnen zu Hause?“
Ich sah aus dem Fenster auf die Betonwüste der Stadt. Am Horizont sah ich die kahlen Berge. Es schien als stießen sie mit dem schmutzig-gelben Himmel zusammen, wo die kraftlose Sonne ihn bluten ließ. Eine Sonne, die schon bessere Zeiten gesehen hatte, wie ich aus den Geschichtsbüchern meines Urgroßvaters wusste. Mein Vater hatte sie mir einst in einer verschwörerischen Zeremonie vermacht. Sie berichteten von einer bunten Welt. Bunt von dem Leben auch außerhalb der Städte. Wie gern hätte ich Regina in eine solche Welt geboren.
Ich sah sie lange an. „Sie können nicht zurück. Sie haben ihren Planeten zugrunde gerichtet.“ Wieder schien sie nicht zu verstehen. „Ja, mein Schatz, sie haben ihre Heimat zerstört. Sie nannten sie Erde.“