Galan: Echt krass!

Galan – HeimkehrIm Verlauf der nächsten Woche will ich die Rohversion von Heimatlos, der Auftaktfolge von Galan, fertigstellen. Das muss ich auch, wenn es mit dem ersten Teil der Serie noch vor Weihnachten klappen soll. Es steht ja auch noch ein bisschen Überarbeitung an.

Der Einstieg soll natürlich Lust machen auf mehr. Er wird etwas kürzer sein als die späteren Folgen und soll auch dauerhaft günstiger angeboten werden. Und obwohl die Geschichte sich natürlich gerade erst zu entfalten beginnt, passiert schon jede Menge. Freundschaft, Sehnsucht, Mut, Angst, Alpträume, Prügel, Schmerzen, rote Haare – alles drin. Sogar schon ein bisschen Magie und Mysterium. Echt krass! Glaubt ihr nicht? Büdde, der Beweis:

„Zum letzten Mal, lass los!“ Alisha traten Tränen in die Augen. Die Schmerzen jedoch spürte sie kaum noch. In ihr kochte eine Wut, die kurz vorm Überschäumen war. Irgendetwas würde gleich passieren. Irgendwas Krasses!

Benzitiert: Riss

© PersonalNOVEL e.K./Umschlagbild: istockphoto.com/Ivan Bliznetsov

Als sie schließlich in die Graue Straße einbog, in der das Kinderheim lag, blieb Tina stehen. Zum wiederholten Male überprüfte sie ihre Hose und überlegte, wie sie den langen Riss, der sich vom Knie bis zum Oberschenkel zog, verbergen könne. Aber es nutzte nichts. Das Loch war einfach zu groß. Und früher oder später würde es Frau Klawen doch entdecken. Also nahm sie all ihren Mut zusammen und ging auf das große Gebäude des Kinderheims zu.

Mc Pom Fritz: Mitläufer

Mir geht es gut. Was sag ich? Mir geht es richtig gut! Ich freu mich richtig, ne. Wahrscheinlich könnt ihr euch schon denken, warum. Und ich hoffe doch, ihr freut euch mit mir. Aber von vorne, ne.

Bianca hatte ja mit mir Schluss gemacht, ne. Also, sie wollte mich nicht mehr sehn, ne. Zusammen waren wir ja gar nicht gewesen. Da bin ich mir inzwischen sicher.

Jedenfalls hab ich gleich am Dienstag auf der Arbeit mit Wolf gesprochen. Bei dem musste ich mich ja noch entschuldigen, weil ich ihn doch angeschrien hatte, obwohl er ja gar nichts dafür konnte, ne. Und der war ja auch immer so nett zu mir gewesen und hat mir bei allem geholfen. Aber irgendwie konnte er doch was dafür.

Ich hab ihm also erklärt, dass Bianca nichts mehr von mir wissen wollte und dass das irgendwie mit der NPD zu tun hatte. Und dass ich das immer noch nicht richtig verstehen würde, weil er doch gesagt hätte, die NPD wäre die einzige Partei, die sich wirklich um den kleinen Mann kümmern würde, was jeder, der die Augen aufmachen würde, auch einsehen müsste und dass das sogar auf den Wahlplakaten rüberkommen würde und überhaupt. Und dass ich ja davon ausgegangen wäre, dass das auch für die kleine Frau, also auch für Bianca gelten würde, ne.

Da ist Wolf richtig ein bisschen böse geworden und hat gesagt, ich soll Bianca vergessen. Was die sich einbilden würde? Das wäre wahrscheinlich auch so eine linke Schlampe, die immer groß von Demokratie redet und dann so was. So eine würde nur Ärger machen und ich hätte was Besseres verdient. Wäre ja klar, dass eine, die bei einer Ärztin arbeitet, sich auch gleich für die Größte hält und mit Leuten wie mir nichts zu tun haben wollte.

Er hat noch viel mehr gesagt, aber alles konnte ich mir nun wirklich nicht merken, ne. Und es hat mich ziemlich traurig gemacht, weil der Wolf doch so ein guter Kumpel ist, der mir immer gute Ratschläge gegeben hat. Aber ich wollte doch Bianca nicht vergessen! Das klang alles gut und richtig, was Wolf da sagte, vernünftig, würde meine Schwester sagen, ne, aber Bianca war doch vorher so lieb zu mir gewesen.

Vielleicht wollte ich es nicht glauben, vielleicht wollte ich nicht vernünftig sein, jedenfalls war mir also meine Schwester eingefallen. Die ist nicht nur eine Frau, die interessiert sich auch für Politik. Das weiß ich, weil sie immer mit meiner Mutti geschimpft hat, weil die nie zur Wahl gegangen ist, ne.

Ich dachte, Katha freut sich, wenn ich ihr erzähl, dass ich wählen war. Da hab ich mich aber getäuscht, ne. Sie meinte, sie kann Bianca gut verstehen. Die wüsste ja nicht, dass ich keine Ahnung davon hab, wen ich da gewählt hab. Erst wollte sie mir erklären, warum die NPD keine gute Partei ist, aber dann meinte, sie, ich sollte mich beim nächsten Mal besser informieren. Sie wär sich sicher, dass ich dann von selbst drauf kommen würde. Sie war außerdem gerade ein bisschen in Eile.

Ich hab noch gefragt, ob sie mir nicht noch schnell einen Tipp wegen Bianca geben kann. Ob ich sie jetzt wirklich vergessen müsste. Da hat Katha gesagt, ich soll ihr erklären, warum ich die NPD gewählt hab.

Ich hab also all meinen Mut zusammengenommen und Bianca gefragt, ob ich sie noch einmal treffen darf, um ihr alles zu erklären. Gestern war ich bei ihr!

Ich hab ihr gesagt, dass ich zum ersten Mal wählen war, weil meine Mutti immer gesagt hat, die da oben würden sowieso nur an sich denken und daher bräuchte man gar nicht erst wählen gehn. Ich hab ihr erzählt, was Wolf mir gesagt hat über die NPD und dass die anders wär, weil die sich für uns Deutsche einsetzt. Und von einem tollen Kinderfest hat er mir erzählt. Und ich hab ihr erzählt, dass Wolf immer so ein toller Kumpel war und ich gedacht hab, das wird dann schon richtig sein. Und dass ich doch die anderen Parteien gar nicht kenne, nicht einmal viele Plakate hingen hier, nur von der NPD, und ich hab die sowieso nicht verstanden.

Bianca hat sich alles in Ruhe angehört. Dann hat sie mich angeschaut und gelächelt. Dann hat sie gesagt, dass einer der Gründe, warum sie sich von Brad getrennt hat, der war, dass er NPD gewählt hat. Der hätte aber gewusst, was er da wählt. Mit mir wäre sie vielleicht ein bisschen sehr streng gewesen. Ich musste ihr versprechen, dass ich mich ein bisschen schlaumache über die Parteien und selber denke.

Ob wir denn jetzt wieder zusammen einkaufen gehen könnten, hab ich gefragt. Ja, du kleiner Mitläufer, hat sie gesagt. Keine Ahnung, was sie damit meinte, jedenfalls fahren wir trotzem mit dem Auto, ne.

Bis dann,

Euer Mc Pom Fritz

Aus dem roten Nebel

© Ichweißes

© Ichweißes

Theo schaute in die Röhre. Abgehängt!
„Los, weiter!“
„Nur einen Moment abhängen.“ Er rutschte gleich neben dem Loch, aus dem er soeben gekrochen war, den Rücken an die Höhlenwand gelehnt, auf seinen Allerwertesten.
Dora stieß ihn mit dem Fuß an. „Glaubst du, wir sind hier sicher?“
Ihr Tonfall signalisierte, dass es sie nicht interessierte, was er glaubte. Aber er konnte nicht mehr. „Ich habe gerade so durch den Gang gepasst. Kein erwachsener Mann kommt da durch!“
„Du bist fett!“
Ihre Antwort versetzte ihm einen Stich. Es war nichts Neues, dass Dora ihn derart beleidigte. Aber hier! In dieser Situation! Zu zweit in einem riesigen Höhlensystem. Und in Lebensgefahr! Dabei war es ihre Schuld! „Hörst du etwas? Nein. Sie können uns nicht folgen.“
„Ich gehe! Du kannst hier gern verschimmeln. Einen Klops wie dich brauche ich sowieso nicht!“ Dora drehte sich um und verschwand in dem seltsamen, rot leuchtenden Nebel, der die Höhle ausfüllte.
„Warte!“ Theo hechelte ihr hinterher. Nichts konnte schlimmer sein, als hier allein zu bleiben. Auch war der Stolz, sie begleiten zu dürfen, noch nicht ganz verklungen. Schließlich hatte er seit Jahren davon geträumt. Wenn er dabei auch nicht an einen dunklen Ort wie diesen gedacht hatte, der obendrein vollgestopft war mit finsteren Gestalten, die ihnen an den Kragen wollten.

Sie wartete nicht und er hatte alle Mühe, sie einzuholen. „Wo willst du denn hin?“
„Hauptsache raus hier.“
„Was glaubst du, was es mit diesem Nebel auf sich hat?“
„Woher soll ich das wissen?“
Theo schob die Mütze zurück und wischte sich mit dem Ärmel über die Stirn. Doch sein Pullover war längst durchnässt. Das Weiß hatte einen rosafarbenen Ton angenommen. Wenigstens war es kein Schweiß. Nicht nur, jedenfalls. „Ist doch echt merkwürdiges Zeug. Wird immer dichter und …“
Unvermittelt blieb Dora stehen, puffte ihm in die Seite und zeigte nach vorn. Die Höhle war schon zu Ende. Sie standen direkt vor einer massiven Wand.
„Eine Sackgasse!“ Mit einem Schlag fühlte sich Theo noch unwohler als zuvor. Der enge Röhrengang hatte sich nicht als die Rettung sondern als Falle entpuppt.

Dora ging ein paar Schritte zurück und schaute nach oben. „Sieh mal!“
Er tat es ihr gleich. Zuerst sah er nur den roten Nebel, doch die Schwaden zogen sich auseinander, als wollten sie, dass er freie Sicht hatte. Auf dem Massiv zeichneten sich die Konturen eines riesigen Körpers ab. Sie waren bis hierher schon einigen solcher Figuren begegnet. Aber diese war um ein Vielfaches größer. Beine wie Säulen ließen sich nur erahnen. Klauenbewehrte Pranken waren zu Fäusten geballt und schienen die gesamte Felswand unter Spannung zu setzen. Der muskulöse Oberkörper ragte ein Stück aus dem Stein heraus, als wolle sich das Monstrum aus dem ewigen Gefängnis befreien. Von den breiten Schultern blickte ein Schädel herab, der an einen übergroßen Menschenaffen erinnerte. Doch das breite Maul war mit Raubtierzähnen bestückt und zwei meterlange Hörner schienen dem Wesen aus dem Nacken zu wachsen.

„Sieht aus, als hätten sie das Ding mitten in der Bewegung eingefroren.“
„Meinst du, das war mal lebendig?“ Theos Stimme überschlug sich.
Dora lachte. „Idiot!“ Sie schaute sich um. „Es muss doch einen zweiten Ausgang geben. Los, komm mit!“

Sie wandten sich nach rechts und begannen die Seitenwand abzusuchen. Der Nebel hatte seine Position verändert. Er schien sich dorthin verzogen zu haben, wo sie aus dem Gang gekommen waren, genau gegenüber von dem Affenwesen. Doch die bessere Sicht half ihnen nicht, ihre Suche blieb erfolglos.

„Uns bleibt nur der Weg zurück!“, bestimmte Dora.
„Und diese Typen?“
„Wir müssen eben hoffen, dass sie aufgeben. Vielleicht sind sie ja schon weg.“ Zielstrebig ging sie auf die wabernde rote Masse zu, die sich dort auftürmte, wo der Gang sein musste.

Ein Donnerschlag!
Theo schrie auf. Er drehte sich um, starrte das Steinungetüm an. Hatte sich die Figur bewegt?
„Sie sprengen den Gang!“, hörte er Dora aus weiter Entfernung rufen. Gleich darauf brannte seine Wange von einer Ohrfeige. „Du guckst in die falsche Richtung, du Trottel!“
Langsam verstand er. Er entspannte sich ein bisschen, stieß die angehaltene Atemluft aus, schielte zu Dora und rieb sich das schmerzende Gesicht. Mann, war das peinlich. Er versuchte seine Verlegenheit mit einem Lächeln zu überspielen.
„Was grinst du denn so blöd? Ist dir klar, was das bedeutet?“
Jetzt begriff er vollständig. Der Nebel vor dem Eingang mischte sich mit schwarzem Staub von der Sprengung. Er hatte den Geruch von Silvesterknallern in der Nase. „Was sollen wir denn bloß tun?“
Doras Blick tastete noch einmal die gesamte Höhle ab. Schließlich blieb er an Theo hängen. Sie zuckte mit den Schultern.
„Aber …“ Wie konnte sie so ruhig bleiben? „Wir …“
Eine zweite Explosion unterbrach ihn. Bildete er sich das ein oder klang das schon viel näher?
„Komm!“

Dieses Mal brauchte er keine weitere Aufforderung. Vielleicht wusste sie doch eine Lösung. Aber Dora lief nur zur gegenüberliegenden Wand und blieb dort stehen.
„Das war alles?“, schrie er sie an.
„Wie bekloppt bist du eigentlich? Es ist vorbei! Wir können nur abwarten.“
„Bekloppt? Mehr fällt dir dazu nicht ein? Weißt du, ich wollte gar nicht mit auf diese blöde Klassenfahrt. Das macht nämlich wenig Spaß als Klassenclown. Aber ich dachte, das kann ich ertragen, weil es schön ist, in deiner Nähe zu sein. Und das dachte ich auch, als du die idiotische Idee hattest, heimlich in die verbotenen Höhlen zu gehen. Deshalb war ich der Einzige, der den Mut hatte, dich zu begleiten. Ich hab gehofft, du würdest mich endlich mit anderen Augen sehen. Und wo hast du uns jetzt hingeführt?“
„Konnte ich wissen, dass hier irgendwelche miesen Typen irgendwas noch Mieseres aushecken? Außerdem hättest du ja nicht mitkommen müssen. Das war ja wohl ganz allein deine Entscheidung.“
Sie hatte recht. Daran gab es nichts zu rütteln. Aber er war sauer. Richtig sauer! Vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben. „Du …“
Sie unterbrach ihn, indem sie drohend den Finger erhob. Dann drehte sie sich weg und tippte sich mit demselben Finger an die Stirn. „Mit anderen Augen sehen. Was bildet der sich eigentlich ein?“

Ein Zittern durchfuhr die Höhle. Theo starrte sofort wieder zu dem Affenkopf. Der hatte das Maul aufgerissen. In den Wänden dröhnte es und das mächtige Steinwesen begann, rot zu leuchten.

Theo bemerkte erst, dass er sich rückwärts bewegt hatte, als er mit dem Rücken gegen die Eingangswand stieß. Dora war neben ihm. Er griff nach ihrer Hand. Für einen Moment fürchtete er, sie würde ihm dafür eine scheuern, dann beobachtete er, wie sich der Teufels-King-Kong aus dem Stein löste. Das ging so schnell, dass Theo im Nachhinein übel wurde, als er daran dachte, wie sie vor nur wenigen Minuten zu Füßen dieses Ungeheuers herumgewandert waren.

Jetzt schien es sie erst einmal nicht weiter zu beachten. Es streckte sich, schüttelte erst das linke, dann das rechte Bein und absolvierte ein paar ungelenke Kniebeugen.

„Wir sollten uns vielleicht verstecken“, flüsterte er, bewegte sich aber kein Stück.
„Wo denn, du Witzbold?“
„Vielleicht im Gang.“
Eine dritte Sprengung ertönte. Man hörte das Geröll poltern.
„Zu spät“, sagte Dora.
Der Affenriese schaute zu ihnen herüber. Seinen Sport hatte er offenbar beendet und kam jetzt auf sie zu. Er sah furchterregend aus. Warum brüllt er nicht? Theo konnte nicht länger über diese Frage nachdenken, denn für sein Gegenüber entsprach die Entfernung zwischen ihnen nur etwa drei Schrittlängen.

Jetzt war es auch egal. Er trat vor. „Lass sie in Ruhe! Ich dulde nicht, dass du ihr etwas tust!“
Der Affe stutzte und schaute ihn verwundert an. Theos Nacken begann zu schmerzen. Aber er blieb stehen, wo er war. Der Affe beugte sich vor und sog die Luft in die riesigen Nasenlöcher. Theo kam sich vor wie in einem Sturm. Er verlor beinahe den Boden unter den Füßen, während sich seine Mütze in Richtung der Affennüstern verabschiedete. Er mochte sie sowieso nicht. Der Affe atmete wieder aus und Theo landete unsanft auf dem Hintern. Seine Mütze fiel ihm vor die Füße. Grund genug, seine Strategie zu überdenken. „Friss mich! An ihr ist doch nichts dran.“
Wieder beugte sich das Riesenvieh vor. Diesmal allerdings streckte es seine Pranke aus und hob sie in die luftigen Regionen seiner Schnauze. Mit dem Finger deutete er an, Theo solle die Klappe halten, zeigte auf den Gang, aus dem man jetzt die Geräusche von Schaufeln und Hacken hörte, und machte schließlich eine Bewegung, die Theo als „Kusch, kusch!“ interpretierte.

Theo hielt dem durchdringenden Blick von Dora nicht stand. „Okay, okay, ich hab mich lächerlich verhalten.“
„Allerdings!“ Dora lachte. „Eine große Hilfe wärst du mir wohl nicht gewesen, du Held.“ Sie machte eine Pause. „Aber keine Sorge, ich war trotzdem ziemlich beeindruckt.“
Theo schaute auf.
Sie lächelte. Dann drehte sie sich zu dem Affen, der vor dem Gang saß und auf die Eindringlinge wartete. „Tja, dann lassen wir Ape mal seinen Job erledigen. Solange kommen wir hier eh nicht raus.“
„Und was machen wir in der Zeit?“
„Abhängen.“

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Vielen Dank für die Bildvorlage von erinnye. Schickt mir auch eure Bilder.

Nein!

© Aga & Miko (arsat)

© Aga & Miko (arsat)

Jan stand der Mund offen. „Was hast du gesagt?“
„Nein!“ Tilo fiel es gar nicht schwer. Er zitterte nicht einmal.
Jan lachte und drehte sich zu Lukas um. „Hast du das gehört?“
Lukas nickte, schaute Jan einen Moment lang verunsichert an und stimmte dann in das Lachen ein.
„Unser kleiner Hosenscheißer wird plötzlich mutig.“ Jan wandte sich wieder Tilo zu. „Jetzt aber Schluss mit den Faxen! Rück die Kohle raus!“
„Nein!“ Es überraschte ihn selbst, wie entschieden das klang. Es würde die beiden nicht abhalten, das wusste er genau. Er hatte es längst zu spüren bekommen. Es war Monate her, doch er hatte es noch gut in Erinnerung. Die Schläge und Tritte, vor allem aber die Schmerzen. Jetzt lächelte er. „Heute brauche ich mein Taschengeld noch.“
„Wofür?“ Jans Frage klang nicht wirklich interessiert. Eher ein bisschen ratlos.
„Das geht dich nichts an. Nicht für mich jedenfalls.“ Tilo dachte an Anna. Würde sie ihn bewundern, wenn sie ihn jetzt sehen würde? Den Außenseiter, der nach der langen Zeit der Erniedrigung erstmals den Brutalos der Schule Paroli bietet. Er wusste es besser. Den größten Mut hatte er nur eine halbe Stunde zuvor aufgeboten. Nun war alles ganz leicht.

„Hosenscheißer! Konzentrier dich mal! Ich dachte, du hättest verstanden.“ Jan zeigte ihm seine Faust und Lukas tat es ihm nach. „Dein Taschengeld gehört uns. Keine Ausnahmen!“

Tilo zog den sauber gefalteten Schein aus der Hosentasche. Er hielt ihn hoch. Dann schloss er seine zierlichen Finger um die zehn Euro, presste sie an die Brust, drehte sich um und legte sich bäuchlings auf den Bürgersteig.

Er begann zu zählen. Bis zur Neun kam er, bevor er die Spitze von Jans Schuh zum ersten Mal in der Leiste spürte. Er krümmte sich, gab damit Lukas von der anderen Seite noch mehr Angriffsfläche. Er wand sich unter den Tritten, während sich die beiden an seinem Körper nach oben vorarbeiteten.

Gern hätte er wenigstens sein Gesicht geschützt, doch beide Hände verkrampften sich wie von selbst um den Geldschein. Zehn Euro, mit denen er heute Nachmittag Anna zu einem Eisbecher einladen durfte. Er konnte es noch gar nicht glauben: Sie hatte Ja gesagt!