Die Zeitung (Teil 2)

Foto: Pack-Shot

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Teil1

Niklas stand eine ganze Weile vor der Tür der Schönherrs herum. Langsam drehte er sich um und ging die Treppe wieder hinunter. Es konnte sich nur um einen bösen Scherz handeln. Je näher sich der Uhrzeiger der Vier genähert hatte, desto unwahrscheinlicher war es ihm erschienen, dass es anders sein könnte.

„Niklas?“
Er fuhr herum. Laura stand auf dem Treppenabsatz.
„Wolltest du nicht zu mir kommen?“
„Ich … ich hab was vergessen.“
„Was denn?“
„Ähm … mein … meine … meinen … nicht so wichtig.“
„Hast du vergessen, was du vergessen hast?“ Laura lachte.
„Ähm …“ Sie musste gar nichts dafür tun, dass er sich zum Trottel machte.
„Komm schon! Wenn es dir wieder einfällt, kannst du es ja noch holen. Ist ja nicht gerade eine Weltreise.“ Sie verschwand. Er hätte es ihr am liebsten gleichgetan. Dafür war es jetzt zu spät. Er konnte nicht mehr zurück.

Ihm war äußerst unwohl bei der Sache. Vorsichtig schob er sich durch den Türspalt in die Wohnung der Schönherrs. Sie war genauso geschnitten wie die seiner Eltern. Die Frage war, ob Lauras Zimmer auch am Ende des langen Flurs lag. Links war die erste Tür leicht geöffnet. Offenbar das Schlafzimmer. Wie bei seinen Eltern. Das große Zimmer dahinter musste das Wohnzimmer sein. Wohin aber war Laura verschwunden? Er ging vorsichtig ein paar Schritte voran. Klar, Bad und Küche auf der rechten Seite. Die Tür, die unten zu seinem Zimmer geführt hätte, war geschlossen.
„Herr Klein? Haben Sie einen Termin bei meiner Mutter?“ Laura stand in der Tür gegenüber des Schlafzimmers und grinste.

Niklas beeilte sich, ihr in ihr Zimmer zu folgen. „Du hast das zweitgrößte Zimmer der Wohnung?“ Er vergaß fast seine Aufregung, so sehr staunte er.
„Du nicht?“
Er schüttelte den Kopf. Unten arbeitete sein Vater in diesem Raum. Niklas musste sich mit dem kleinsten Zimmer begnügen. Er schaute sich um. Er hatte noch nie ein Mädchenzimmer gesehen, aber so hatte er es sich bestimmt nicht vorgestellt. Als erstes fiel ihm der Fernseher auf. Ein eigener Fernseher! Wie oft hatte er sich das gewünscht. Auf dem riesigen Flachbildschirm, der auf dem Schreibtisch am Fenster stand, lief ein Bildschirmschoner. „Emma Peel!“ Er zeigte auf den Bildschirm und dann auf die Poster.
„Hast du den Film gesehen?“
„Klar!“, antwortete er, verkniff sich aber, dass seiner Meinung nach Uma Thurman in der Rolle der Peel so ziemlich das einzig Sehenswerte in dem Streifen gewesen war. Stattdessen staunte er jetzt über die vielen Bücher. „Hast du die alle gelesen?“
„Fast. Die meisten sind Krimis und Thriller. Da steh ich total drauf. Und jetzt glotz hier nicht nur blöd rum!“ Sie deutet mit einem Kopfnicken an, dass er sich auf die Couch setzen sollte. „Wir haben selbst einen Fall zu lösen!“
Er folgte dem Befehl sofort. Als sie sich neben ihn setzte, war seine Unsicherheit wieder da.
„Rück mir nicht so auf die Pelle!“
Obwohl sie reichlich Platz zur anderen Seite hatte, zwängte sich Niklas ganz bis an den Rand der Couch. Laura goss Orangensaft in zwei bereitgestellte Gläser und hielt ihm eines davon hin. Er mochte keinen Orangensaft, aber das schien Laura nicht zu interessieren. Er wollte sie nicht verärgern, griff schnell zu und nippte an dem Glas. Auch noch mit Fruchtfleisch!
Nun hatte er doch alles falsch gemacht. Mit strengem Blick streckte sie ihm ihr Glas entgegen, bis er begriff, dass er mit ihr anstoßen sollte. „Auf meinen Plan!“, sagte sie feierlich, kurz bevor die Gläser sich mit einem leisen Pling berührten, und Niklas fragte sich, ob er noch eingeweiht werden würde.

Mc Pom Fritz: Ein kleiner Schubs

Ihr glaubt nicht, was am Freitag passiert ist! Ich bin jetzt noch ganz durcheinander. Bianca … Wir waren … Dieser Typ … Also ne, ich fang am besten vorne an, ne.

Ich bin also mit dem Bus nach Tessin gefahren, um mich mit Bianca zum Einkaufen zu treffen. Ich war ganz schön aufgeregt. Obwohl ich ja eine Stunde zu früh da gewesen bin. Aber hätte ich einen Bus später genommen, wäre ich fast zehn Minuten zu spät gekommen, ne. Bin ich halt noch ein bisschen rumgelaufen.

Endlich bin ich dann zur Praxis. Bianca war gerade fertig. Ich glaube, sie hat sich richtig gefreut, als sie mich gesehen hat. Dann sind wir los.

Wir sind kaum einen Schritt aus der Tür raus, da springt ein Mann aus seinem Auto und stellt sich uns in den Weg. Ich dachte erst, das wär … na dieser Schauspieler. Hat in Ocean’s Eleven mitgespielt. Den meine Schwester so mag. Frauen mögen den sowieso, ne.  Brad … Damm … Brad Damon, glaub ich. Nee, noch anders. Ist ja auch egal, der war das ja eh nicht.

Wer ich bin, wollte er von Bianca wissen. Aber er hat sie gar nicht antworten lassen. Ob ich ihr Neuer wär. Das geht dich gar nichts an!, hat Bianca gesagt. Und dass er sie in Ruhe lassen soll. Hätt ich ja sofort gemacht, wenn sie mir das gesagt hätte. Er aber nicht. Im Gegenteil! Er hat sie gepackt und … Matt! Matt Damon hieß der. Also der Schauspieler, ne. Och, meine Schwester mag den so. Die hat sogar ein Poster von dem.

Der, der so aussah wie der, hat jedenfalls darauf bestanden, dass Bianca ihm sagt, ob ich ihr neuer Freund bin. Hätte mich ja auch interessiert, ne. Und wenn es so wäre, sagt Bianca, geht dich das immer noch nichts an! Das hat den echt geärgert. Der hat Bianca richtig geschüttelt und gebrüllt, sie würde sich jetzt wohl schon mit dem letzten Bauerntrampel abgeben. Dass er mich damit meinte, wurde schnell klar. Er schrie mich nämlich an, ich soll mich … Ich weiß gar nicht, ob man das so öffentlich sagen darf. Na, ihr wisst schon, ne.

Ich hab Bianca angeguckt und die hat sich frei gemacht und sich zu mir gestellt und gesagt, wir würden jetzt abhauen. Achso, nicht, was ihr jetzt denkt. Sie hat sich von ihm frei gemacht, nicht sich ausgezogen. Wir waren doch mitten auf der Straße!

Ihr glaubt das nicht: Der Typ hat sie festgehalten! Richtig grob. Bianca hat sich gewehrt und fast geschrien vor Schmerzen. Ich hab gesagt, er soll sie loslassen. Aber er hat sie nur noch fester gehalten und gefragt, was ich dagegen tun will. Das wusste ich dann auch nicht. Aber Bianca wusste es. Die hat ihm voll zwischen die Beine getreten! Der hat sich vielleicht gekrümmt! In dem Moment tat er mir richtig leid, ne.

Aber Bianca hat mich zum Auto gezerrt und gesagt, wir würden woanders einkaufen fahren. Gerade,  als sie einsteigen wollte, war er wieder da und riss sie vom Auto weg. Jetzt war aber genug! Ich hab ihn weggedrängt und mich dazwischen gestellt. Da hat er zugeschlagen! Richtig mit der Faust. Wie im Film, ne! Es war nur ein Reflex. Ich wollte das gar nicht. Ich hab ihn geschubst.

Mutti hat schon immer gesagt, ich hätte zu viel Kraft. Der Typ ist nach hinten übergefallen und mit dem Hinterkopf auf den Asphalt geknallt. Das hat richtig gerumst! Ich wollte noch gucken, ob alles in Ordnung ist, aber Bianca hat applaudiert und gesagt, dass ich das gut gemacht hab. Und dann sind wir einfach losgefahren und haben ihn liegen lassen.

Bianca war danach sehr schweigsam. Manchmal hat sie ein bisschen gelächelt, aber zu dem Typen hat sie nichts mehr gesagt. Erst als wir zu Hause waren, hat sie gefragt, ob sie mich auf ein Bier einladen kann. Wir sind in die kleine Kneipe gegangen und da hat sie dann gesagt, dass das ihr Exfreund war, wegen dem sie überhaupt aus Tessin weg und nach Prangendorf Ausbau gezogen ist.

Ich hab gesagt, dass ich dann ihrem Exfreund dafür sehr dankbar bin. Da hat sie zum ersten Mal wieder gelacht. Und dann gleich noch mal, als ich gesagt hab, dass er aussieht wie Brad Damon. Sie hat gesagt, dass er wirklich Brad heißt, weil seine Mutter total auf Brad Pitt steht. Aber irgendwie ist er dann doch ein Matt geworden.

Danach hat sie mit mir angestoßen und wir haben über andere Sachen geredet, weil sie gesagt hat, sie würde Brad am liebsten vergessen. Aber ich musste immer wieder an ihn denken. Irgendwie kann ich ihn verstehen. Es ist schon blöd, Bianca so nahe zu sein, ohne zu wissen, was wird. Wie schrecklich muss es erst sein, sie zu verlieren.

Bis dann,

Euer Mc Pom Fritz