Tom fluchte. Nicht nur wegen der Schmerzen – sein Knie tat höllisch weh -, vor allem auch, weil er sich seine Dämlichkeit eingestehen musste. Schlimmer noch: Spätestens jetzt wurde sie auch für Mona mehr als offensichtlich. Während er sich hochrappelte, genügte der kurze Moment, bevor er beschämt zu Boden sah, um die Mischung aus Belustigung und Ärger in ihrem Blick zu lesen.
„Hatte ich nicht gesagt, Sie sollen warten, bis ich rufe?“ In ihrer Stimme war keinerlei Belustigung zu hören.
„Ja, ja, ich hab’s verstanden. Bin ja auch schon zur genüge dafür bestraft worden.“ Er trat gegen die Schublade, die ihn zu Fall gebracht hatte.
„Möglicherweise wäre ein Schuss zwischen die Augen die gerechtere Strafe gewesen.“ Sie drehte sich um und überprüfte den Rest der Wohnung. Allerdings gab sie sich jetzt keine Mühe mehr, ihre Anwesenheit zu verbergen.
Ein bisschen Mitgefühl würde ihr auch nicht schlecht zu Gesicht stehen. Tom rieb sich das Knie. Er humpelte ins Bad und schaltete das Licht an. Er nahm sich einen Waschlappen, der auf dem Boden lag, hielt ihn unter den Wasserhahn und ließ ihn sich mit kaltem Wasser vollsaugen. Unbeholfen stakste er über den scherbenübersäten Fußboden, setzte sich auf den Badewannenrand und krempelte sein Hosenbein hoch. Wie konnte man wegen einer blöden Holzfigur so einen Aufriss veranstalten? Er legte den Lappen aufs Knie. Die Kühlung tat gut, brachte Entspannung und machte den Kopf frei. Die arme Lisa. Kurz nach der Trennung hatte sie sich diese Wohnung genommen. Ihre frühere gemeinsame hätte sich keiner von ihnen lange leisten können. Tom war noch nie hier gewesen. Hatte sie nur einmal bis zur Wohnungstür begleitet. Durchaus hoffnungsvoll. Doch schon im Treppenhaus hatten sie sich wieder gestritten. Sonst hätten sie vielleicht hier in diesem Bad mit dem Vorspiel begonnen. Oder sie hätten in Erinnerung an alte Zeiten zusammen ein Bad genommen. Er schaute sich um. „Scheiße!“ Er sprang auf, ließ den Lappen fallen. Der Schmerz fuhr mit doppelter Gewalt in sein Knie zurück.
In der Wanne glitzerten Wassertropfen. Wie gebannt starrte Tom auf den roten Fleck, der sich am Abfluss gebildet hatte.
Schlagwort-Archive: Scherben
Blogroman: 22 – Hinter dem Bett
Die Tür war aufgebrochen und stand einen Spalt breit offen. Mona hielt Tom zurück, der drauf und dran war, in die Wohnung zu stürmen. „Sind Sie sicher, dass die Einbrecher schon fort sind?“, flüsterte sie. Um einen sarkastischen Tonfall musste sie sich gar nicht erst bemühen.
Er antwortete nicht, aber sie sah ihm an, dass es ihm peinlich war.
Sie zog ihre SP und schmunzelte, als sie sein Erschrecken sah. „Bleiben Sie stehen, bis ich Sie rufe!“ Die Pistole im Anschlag schob sie die Tür weiter auf und betrat die Wohnung Lisa Altmanns. Schon im Flur waren die Schubladen aus einer eher geschmacklosen Kommode gerissen. Mona musste sehr vorsichtig sein, um nicht über eine von ihnen zu stolpern. Langsam näherte sie sich dem ersten Raum. Der Vorhang war gewaltsam zur Seite gerissen worden, seine Verankerung hatte sich auf der einen Seite gelöst. Es roch nach Parfüm. Mona ahnte, dass sie sich dem Badezimmer näherte. Sie spähte hinein. In dem kleinen Raum glitzerten die Scherben des Spiegels und diverser Parfümfläschchen auf dem Fußboden. Eine der bräunlichen Duschkabinenwände war gesprungen.
Sie schob sich weiter zum nächsten Zimmer. Die Tür knarrte, als sie sie langsam öffnete. Über den Lauf der Halbautomatik schaute sie sich um. Das Schlafzimmer. Die Kissen und Decken auf dem Doppelbett waren durchwühlt, der Kleiderschrank stand offen, sein Inhalt zu großen Teilen auf dem Fußboden verstreut. Zur Sicherheit schaute sie hinter das Bett. Dann ging sie in die Hocke und beugte sich vor, um auch unter dem Bett nachzusehen.
Im Flur tat es einen lauten Knall.