Der Schuppen

Der Schuppen

„Den Schuppen kann ich Ihnen leider noch nicht zeigen.“

Frau Lost schien eine aufgeräumte Person zu sein. Haus und Garten waren in bestem Zustand, wenn auch alles andere als modern. Auch der Schuppen war alt und wirkte ein wenig klapprig. Ich wusste nicht, was sie dort versteckte, aber es schien ihr peinlich zu sein. Im ersten Moment dachte ich, sie habe dort vielleicht allen möglichen Krempel zu einem Chaos gestapelt, von außen war davon aber nichts zu sehen. Im Gegenteil, der Schuppen wirkte vollkommen leer. Wie dem auch sei, ich wusste noch gar nicht, ob ich überhaupt Verwendung für ihn haben würde, liebäugelte eher mit einem moderneren Gartenhaus, in dem man es sich auch einmal gemütlich machen konnte. Und alles andere hatte mich so überzeugt, dass die Unterschrift unter den Kaufvertrag nur noch reine Formalität war.

Ich freute mich schon auf den Moment, in dem das Kistenschleppen endlich ein Ende haben würde. Ich wollte es so schnell wie möglich hinter mich bringen. Dennoch musste eine kleine Pause erlaubt sein. Ich stellte Lili ein Schälchen Milch in die Küche und wanderte anschließend ein bisschen durch meinen neuen Garten. Plötzlich stand ich vor dem Schuppen. Er sah nicht anders aus als an dem Tag, an dem Frau Lost mir den Zutritt verwehrt hatte. Ich spürte eine leichte Erregung, fühlte mich wie ein Kind, das gegen die Auflagen der Erwachsenen verstieß, als ich hineinging. Er war vollkommen leer, der Boden wie ausgefegt, und weder an den Wänden noch an der Decke konnte ich auch nur die Spur eines Spinnennetzes finden. Das kindliche Gefühl verschwand so schnell, wie es gekommen war. Beinahe etwas enttäuscht konstatierte ich, dass hier genug Platz für Gartengeräte und mehr war. Bis ich mir ein richtiges Gartenhäuschen zulegen würde, konnte mir der Schuppen gute Dienste tun.

Ich schmunzelte, als ich den der frisch erstandenen Rasenmäher in dem ansonsten noch völlig leeren Schuppen betrachtete. „Ein bisschen einsam, was? Mach dir keine Sorgen, du bist nicht mehr lange allein. Ich komme gleich zurück, dann seid ihr schon zwei.“

Lachend ging ich zum Wagen, wo Rasenmähers neuer Freund Rasentrimmer darauf wartete, von mir in den Schuppen getragen zu werden. Wieder dort angekommen, war es mit meiner guten Laune vorbei. Der Rasenmäher war verschwunden. Nichts deutete darauf hin, dass er jemals hier gestanden hatte. Drehte ich jetzt vollkommen durch? Ich stellte den Trimmer ab und ging hinaus. Ratlos ließ ich meinen Blick über das Grundstück schweifen. So unmöglich das gewesen wäre, ich hätte mich letztlich damit zufrieden gegeben, wenn ich den Mäher irgendwo hier hätte rumstehen sehen. Natürlich war dem nicht so. Wieder ging ich in den Schuppen. Nun war auch der Rasentrimmer weg.

Aus irgendeinem Grund, den ich mir selbst nicht erklären konnte, ließ ich den Schuppen stehen. Nach einigen weiteren Versuchen begnügte ich mich damit, einfach nichts in ihn hineinzustellen, das seltsame Häuschen ansonsten vollkommen zu ignorieren. Im Verdrängen war ich schon immer gut gewesen, wenn ich auch sicher nie gedacht hätte, dass es mir in einer solchen Angelegenheit so gut gelingen würde. Aber es endete an dem Tag, als Lili plötzlich wie vom Erdboden verschluckt war. Zum ersten Mal, seit die freundliche Katze bei mir ein Zuhause gefunden hatte, erschien sie nicht pünktlich zu den Mahlzeiten. Sie erschien überhaupt nicht. Schnell ahnte ich, wer dafür verantwortlich war.

Es musste etwas geschehen. Das hatte ich auch Robert am Telefon gesagt. Wie nicht anders zu erwarten, klingelte es so schnell an der Tür, dass man beinah glauben musste, mein Ex-Mann hätte bereits ganz in der Nähe darauf gewartet, dass ich ihm endlich verzeihe.
„Du musst mir helfen!“, sagte ich, weniger mit Nachdruck als mit einem liebevollen Unterton.
Robert hatte sich mein Problemchen mit leuchtenden Augen angehört. „Keine Sorge, Schatz. Hab ich dir nicht gesagt, du würdest mich noch brauchen, Marie?“
Ich nickte ergeben. Ein Augenaufschlag deutete an, ich würde ihn auch weiterhin brauchen, nicht nur in Sachen Reparaturarbeiten.
„Wo hast du das Werkzeug?“
„Im Schuppen“, antwortete ich und zeigte auf das unscheinbare Gebäude, das mir nun zum ersten Mal wirklich nützlich werden sollte.